Lutz Liebscher: Grundsteuererhöhung ist falsches Signal und übereilt
Jenas SPD-Landtagsabgeordneter Lutz Liebscher warnt vor einer übereilten Erhöhung der Grundsteuer in Jena. Eine Erhöhung der Grundsteuer als Substanzsteuer geht zu Lasten der Mieter wie Wohneigentümer in Jena. Angesichts der vergleichsweise hohen Kosten für Wohnen in unserer Stadt ist es nicht angezeigt, hier Mieter wie Hausbesitzer weiter zu belasten und damit die Konsumanreize von Bund und Land zu konterkarieren. Unternehmen mit großen Flächen wären von der Erhöhung der Grundsteuer ebenso betroffen wie Gastronomen, die in den letzten Monaten keine Einnahmen hatten, jetzt aber rückwirkend für ihre ungenutzten Flächen mehr Grundsteuer zahlen sollen.
Seitens der Stadtspitze wird argumentiert, die Grundsteuererhöhung sei notwendig, um Bedarfszuweisungen des Landes erhalten zu können. Richtig ist, dass die entsprechende Landesverordnung für Städte ab 50.000 Einwohner einen Grundsteuerhebesatz B von 527 Punkten vorsieht. Dies ist jedoch nicht die Bedingung um Bedarfszuweisungen zu erhalten, sondern die Konsequenz daraus. Die Stadt Jena kann also auch erst im September wenn nötig Bedarfszuweisungen beantragen und würde diese auch ohne Grundsteuererhöhung erhalten. Die Grundsteuer müsste dann also 2021 bis zum 30. Juni erhöht werden. Damit bliebe auch genug Zeit, um an einem Haushaltssicherungskonzept zu arbeiten, dass der Stadtrat ebenfalls beschließen müsste.
Bedingung für Bedarfszuweisungen, ist seitens des Landes jedoch nicht nur die Anhebung des Hebesatzes. Insbesondere müssten die freiwilligen Leistungen von 10 % auf im schlimmsten Falle 3 % des Haushalts gekürzt werden. Wenn man bedenkt, dass die gesamte Kulturfinanzierung und sämtliche Sportförderung freiwillige Leistungen der Stadt sind, bedeutet dies ein Ende des lebenswerten Jenas, wie wir es kennen.
Es ist daher geboten, noch einmal die Annahmen hinter der Erwartungsrechnung der Stadt zu hinterfragen und neu zu bewerten. Wie groß der Gewerbesteuerausfall tatsächlich ist, wissen wir erst zum Ende des Jahres. Entscheidend für eine belastbarere Prognose wird die zweite Steuerschätzung im September 2020 sein. Unklar ist auch, was das Konjunkturpaket in all seinen Facetten für Jena konkret bedeutet. Dazu kommen weitere Hilfen des Landes für kommunale Einrichtungen wie Theater und Philharmonie, deren konkrete Höhe für Jena ebenfalls noch nicht feststeht. Kurz: zu viele Variablen in der Rechnung basieren noch auf Annahmen – wie wacklig diese sind, zeigt die Dynamik der letzten Wochen, in denen das Minus von 28 Millionen auf 16 Millionen zusammengeschrumpft ist.
Der Bund hat mit dem Konjunkturpaket beschlossen, das Land und Bund die Gewerbesteuerausfälle der Kommunen komplett ausgleichen. Für Jena werden 18,2 Millionen Euro Gewerbesteuerausfälle angenommen (Städtische Veröffentlichung 20/0285-BE vom 14. Mai), gleichzeitig wird aber seitens der Stadt nur mit 15,4 Millionen Euro Ausgleich durch Bund und Land kalkuliert. Allein damit fällt das erwartete Defizit von 16,3 Millionen auf 13,5 Millionen Euro. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahl sich in den kommenden Wochen weiter verändern, vermutlich sinken wird. Je nach weiterem Verlauf der Pandemie kann sich die Einnahmesituation im Laufe des Jahres auch etwas erholen – mit den entsprechenden Auswirkungen.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass seitens des Landes Sorge dafür getragen wird, dass der Ausgleich der Gewerbesteuerausfälle nicht pauschaliert, sondern auf Grundlage der Spitzabrechnung des Jahres 2020 erfolgt. Das betrifft die Mittel des Landes ebenso wie die Weitergabe der Bundesmittel durch das Land. So bekäme jede Kommune den tatsächlichen Ausfall erstattet. Klar ist auch, dass Bund und Land im Falle einer ausbleibenden Erholung der Wirtschaft in der Pflicht sind, weitere Hilfen zur Verfügung zu stellen.